Kennzeichen: Der Brachvogel ist der größte Watvogel Europas. Charakteristisches Kennzeichen des Großen Brachvogels ist der lange und stark nach unten gekrümmte Schnabel. Das Weibchen ist etwas größer als das Männchen und hat einen deutlich stärker gebogenen und längeren Schnabel. Ansonsten sehen die Geschlechter gleich aus. Sie sind eher unscheinbar, haben ein regelmäßig beigebraun oder graubraun gebändertes und gestreiftes Gefieder. Im Flug wird der weiße Bürzel sichtbar, der mit dem weißen Rücken einen weißen Keil bildet.
Besonderheit: Der Große Brachvogel kann mit seinem langen, gebogenen Schnabel Stellen erreichen, die anderen Watvögeln nicht zugänglich sind. Ein gebogener Schnabel beschreibt einen weiteren Kreis, wenn er im Schlamm gedreht wird, so dass der Große Brachvogel mehr Beutetiere ertasten kann. Zudem kann er mit einem gebogenen Schnabel besser Beute aufsammeln. Aber der Schnabel hat auch einen Nachteil. Er ist weniger stabil als ein gerader. Daher ist er durch innere Verstrebungen und Verdickungen verstärkt. Dadurch bleibt aber für die Zunge weniger Spielraum, weshalb der Große Brachvogel größere Partikel erst aufnehmen kann, nachdem er sie ausgegraben hat.
Lebensraum: Die Vögel teilen sich im Winter auf leicht verschiedene ökologische Nischen auf, wobei die Weibchen die schlammige Gezeitenzone, die Männchen angrenzendes Weide- und Grasland nutzen. Außerhalb der Brutzeit behaupten die Weibchen häufig Nahrungsreviere, zu denen sie jedes Jahr zurückkehren.
Verbreitung: Das Brutareal der Art umfasst die mittleren und nördlichen Breiten von Westeuropa bis Ostsibirien. Die südlichsten Vorkommen in Europa reichen etwa bis Südwestfrankreich und an den Alpenrand. Allerdings sind Mittel- und Westeuropa nur sehr lückenhaft besiedelt. Die Brutpopulationen im östlichen Teil des Verbreitungsgebietes gehören einer anderen, etwas größeren und helleren Unterart (Numenius a. orientalis) an.
Zug: Die östlichen Brachvögel sind fast alle Langstreckenzieher. Ihr Winterquartier reicht von den Küsten des tropischen und südlichen Afrika über das gesamte Küstengebiet Südasiens bis nach Südchina und die Sundainseln. Europäische Brachvögel sind größtenteils Kurzstrecken- oder Mittelstreckenzieher. In Westeuropa bleiben sie teilweise auch den ganzen Winter über in der Nähe des Brutplatzes. Auch in Mitteleuropa trifft man in milden Gegenden fast regelmäßig Überwinterer. Die meisten aber ziehen in breiter Front über das Binnenland, um an der Atlantikküste in Europa, im Mittelmeerraum und in Nordafrika zu überwintern. Schon ab Mai verlassen die ersten Altvögel, die keinen Bruterfolg hatten, die Brutplätze. Manche Weibchen können schon ab Mitte Juni wegziehen, während die Männchen oft noch etwas länger bei den Jungen ausharren. An der Küste, insbesondere im Wattenmeer der Nordsee, findet bereits ab Juli reger Zustrom statt, der vor allem aus Mauservögeln besteht. Im Herbst können dann die Gesamtzahlen dort über 100.000 Individuen erreichen. Auch im Binnenland lässt sich der Herbstdurchzug an geeigneten Stellen beobachten. Im März treffen Brachvögel wieder an ihren europäischen Brutplätzen ein.
Nahrung: Die Nahrung ist sehr vielfältig. Sie besteht aus einer großen Zahl von kleinen Tieren, die auf dem Boden oder in den obersten Bodenschichten leben. Während des Zuges und im Winterquartier sind es hauptsächlich Lebewesen der Gezeitenzone an der Küste.
Stimme: Brachvogelrufe und -gesänge gehören zu den melodischsten und stimmungsvollsten Vogellauten über Wiesen und Mooren. Die Stimme ist ein lauter wehmütiger Ruf, der wie "kuri li" klingt. Dieser Ruf hat ihm im englischsprachigen Raum vermutlich den Namen "Curlew" eingebracht. Um die Brutreviere zu markieren, singen die Männchen im Frühjahr eine flötende und trillernde Strophe.
Brut: Bei der Ankunft im Frühling verteidigen Männchen feste Reviere durch einen ritualisierten Singflug. Dazu flattern sie mit einzelnen klangvollen Rufen steil auf und lassen sich dann langsam mit aufgestellten Flügeln abwärts gleiten, wobei die Rufe bei der Landung in einen weithin zu hörenden Triller übergehen. Das Männchen zeigt dem Weibchen potentielle Nestmulden, das dann eine davon für die Eiablage auswählt. Die Nester stehen in niedriger Vegetation auf trockenem oder feuchtem bis nassem Untergrund, oft an exponierter Stelle, manchmal auch in einem Grasbüschel. Beide Geschlechter brüten, Männchen aber weniger. Später, wenn die Jungen heranwachsen, werden die ursprünglichen Reviere oft verlassen und die Nahrungsräume weit ausgedehnt. Das erste Mal können Brachvögel schon im 1. Lebensjahr brüten, häufiger aber scheint die Brutreife erst im 2. oder 3. Jahr einzutreten.
Info: Der älteste bis jetzt bekannte Ringvogel erreichte fast 32 Jahre.